Susanne Vathke, Coach und Trainerin, hat zurzeit zahlreiche Einsätze in Pflegeheimen. Sie kommt selbst nicht aus der Pflege – das erklärt vielleicht ihr Erstaunen über etwas, was Pflegende meistens nur noch mit einem Schulterzucken quittieren: die defizitorientierte Arbeitsatmosphäre in vielen Einrichtungen. „Die Pflegenden sind am Rödeln und Rödeln, aber leider sprechen das nur die wenigsten Leitungskräfte aus. Stattdessen reden sie über das, was noch alles zu erledigen ist. Ich finde es schade, dass gar nicht auf das geschaut wird, was man schon alles gemeinsam gestemmt hat – gerade während der Pandemie.“
Und was sie alles in den vergangenen drei Jahren gestemmt haben! Darauf hat Ende Februar die Vize-Präsidentin der Landespflegekammer Rheinland-Pfalz hingewiesen. „Für Pflegende wurde mancherorts die tägliche Arbeitszeit auf 12 Stunden hochgesetzt, es gab Urlaubssperren und einige mussten sogar trotz positiven Testergebnisses arbeiten. Alles, um die Versorgung sicherzustellen“, sagte Andrea Bergsträßer bei der Präsentation des aktuellen BARMER-Pflegereports in Mainz. „Hinzu kommt, dass Pflegenden leider nicht immer die nötige Achtung entgegengebracht wurde: Die Diskussion um die Impfpflicht war wenig feinfühlig gegenüber einer Berufsgruppe, die ohnehin gerade stark unter Druck stand und eine eigentlich gute Impfquote von 90 Prozent aufwies.
Noch schlimmer aber war, dass einige von uns aus Angst vor Ansteckung immer mal wieder gemieden wurden. “Natürlich hatten Pflegende auch ein viel höheres Infektionsrisiko als die Gesamtbevölkerung. Denn der Anteil der Covid-Fälle unter Pflegebedürftigen war extrem: Im November 2020 etwa wurde bei 8,3 Prozent der Pflegebedürftigen in vollstationärer Dauerpflege Covid-19 diagnostiziert – in der Gesamtbevölkerung waren es nur 1,2 Prozent. Die vielen Infektionen unter Pflegebedürftigen (und auch Patienten) zogen viel Leid und Ausnahmesituationen nach sich: Zehntausende starben, nicht wenige davon fürchterlich einsam. Denn Pflegende waren vielerorts gezwungen, Angehörigen den Zutritt zu verwehren. So ist in dieser Zeit erstmals häufiger von „moralischer Verletzung“ die Rede gewesen: Pflegende waren gezwungen, etwas zu tun, was eigentlich ihrer moralischen Überzeugung widersprach. Niemand weiß bisher, wie diese Erlebnisse bei Pflegenden nachwirken, und niemand weiß, was es für Auszubildende bedeutet, wenn sie in einer Ausnahmesituation wie der Pandemie in den Beruf starten. Fest steht aber: Sie haben viel ausgehalten, sie haben viel geleistet. Gerade das ist aber vielen Pflegenden nicht bewusst, hat Susanne Vathke beobachtet. „Dass sie unglaublich gut zusammengehalten haben und sehr willensstark waren – das muss ich in den Sitzungen herauskitzeln. Erst wenn ich das tue, entfaltet sich der Stolz“, sagt die Trainerin, die auch als Coach für wertorientiertes Führen arbeitet und das Buch „Mitarbeiterführung in der Altenpflege“ geschrieben hat.
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