Die gute Nachricht zuerst: „Den meisten Betroffenen können wir helfen“, sagt Dr. Beate Schmucker, Ressortleiterin Medizin bei den BG Kliniken über die Corona-Erkrankten, die an Long-/ Post-Covid-Symptomen leiden. Corona sei aber weiterhin eine Herausforderung und der Weg für viele Long-/Post-Covid-Betroffene ein weiter: „Es dauert lange. Und es geht oft nur in kleinen Schritten voran“, so ihre Erfahrungen aus fast zwei Jahren Beobachtung der therapeutischen Arbeit mit Long- beziehungsweise Post-Covid- Betroffenen in den BG Kliniken. „Denn es gibt leider auch die Fälle, die bis zu 25 verschiedene Beschwerden haben. Da müssen wir erst einmal ausklamüsern, wo da die Zusammenhänge sind. Es entstehen ganz, ganz bunte Bilder. Die behandelnden Ärzte lernen täglich dazu.“
Die schlechte Nachricht: Auch die aktuellen Zahlen der Berufsgenossenschaft für Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege (BGW) skizzieren ein weiterhin dramatisches Bild der Covid-Pandemie in der Gesundheitsbranche. Jede Woche werden der Berufsgenossenschaft weiterhin Tausende neue Covid-Verdachtsfälle gemeldet. Allein für das erste Halbjahr 2022 summierten sie sich auf 131.757 Fälle. Damit übersteigt die Menge der Verdachtsmeldungen nach der Hälfte des laufenden Jahres bereits deutlich die Zahl für das gesamte Jahr 2021 von 111.126 Meldungen. Häufige Symptome: Müdigkeit und Erschöpfung.
3.341 Beschäftigte der Pflegebranche in Rheinland-Pfalz haben Post- Covid als Berufskrankheit anerkannt bekommen.
Neben der Branche Kinderbetreuung hat die Pflegebranche besonders viele Verdachtsfälle gemeldet. Hier waren es bis Ende Juli 90.394 deutschlandweit. 53.889 Fälle davon sind bisher als Berufskrankheit (BK) anerkannt, 3.341 in Rheinland-Pfalz. Und: Auch die Zahlen der Pflegenden, die langfristig unter den Folgen der Corona-Infektion leiden, also Long-Covid oder Post-Covid entwickeln oder ausbilden, steigen. Bis zu 15 Prozent der Long-Covid- Betroffenen leiden auch nach drei Monaten weiter und werden zu Post-Covid-Fällen. Was bedeutet, dass immer mehr Pflegekräfte auch nach der überstandenen Corona-Infektion für viele weitere Monate nicht arbeitsfähig sind und deshalb von der BGW mit vielfältigen Reha- Maßnahmen unterstützt werden. 1.035 sind es derzeit deutschlandweit, 37 in Rheinland-Pfalz.
„Die häufigsten Symptome sind Müdigkeit, Erschöpfung, aber auch Gliederschmerzen, Kopfschmerzen, Konzentrationsschwächen“, weiß Beate Schmucker aus den Rückmeldungen der Kliniken. „Aber auch Atmungsprobleme treten auf und oft findet man dann nichts an der Lunge.“ Long-/Post-Covid warte weiterhin mit vielen unerklärlichen Symptomen auf, daher müsse „es noch ganz viel Forschung geben“.
So läuft das Post-Covid-Programm ab
Für dann notwendige Reha-Maßnahmen ist die BGW die wichtigste Ansprechpartnerin. Ein spezielles Post-Covid-Programm, das die Berufsgenossenschaft mit den Expertinnen der BG Kliniken entwickelt hat, wird dazu in allen ihren Akut- und Rehakliniken angeboten. Es reicht von der Beratung und Diagnostik bis hin zu stationärer Rehabilitation und ambulanter Nachbetreuung. Das Post-/Long-Covid-Programm vollzieht sich in drei Schritten
1. Schritt: Die Post-Covid-Beratung
Wenn betroffene Pflegende Long-Covid-Folgen an die BGW melden, kontaktieren die Sachbearbeiter dort die Experten der BG Kliniken, die mit strukturierten Fragebögen eine Erst-Diagnose erstellen.
2. Schritt: Die Post-Covid-Sprechstunde
In dieser ambulanten Sprechstunde besprechen die Experten gemeinsam mit den Betroffenen die weitere Diagnostik- und Therapie. Die kann zunächst in einem Post-Covid-Check oder bereits in einem individuellen Reha-Therapieprogramm bestehen. Die Untersuchung übernehmen je nach Krankheitsbild die verschiedenen Fachärzte, begleitet vom Reha-Management der zuständigen Berufsgenossenschaft oder Unfallkasse.
3. Schritt: Post-Covid-Check
Für Versicherte mit Langzeitfolgen haben die BG Kliniken einen „Post-Covid-Check“ (PCC) entwickelt, der auf Betroffene mit anhaltenden neurologischen und psychischen Symptomen zugeschnitten ist. Dabei handelt es sich um ein bis zu zehntägiges Abklärungsverfahren, an dessen Ende die Teilnehmer einer interdisziplinären Fallkonferenz Therapieoptionen definieren.
Auch bei der Wiedereingliederung in den Arbeitsalltag unterstützt die BGW die Pflegefachpersonen. So bietet die Berufsgenossenschaft eine sogenannte „Belastungserprobung“ an. Das heißt: Die Pflegefachpersonen testen bei vorübergehend verminderter Arbeitszeit – etwa vier Stunden täglich – ihre Arbeitsfähigkeit. In der Regel
dauert eine Belastungserprobung vier bis sechs Wochen, in Einzelfällen auch länger. Während dieser Zeit besteht die Arbeitsunfähigkeit fort und die BGW zahlt Verletztengeld.
Auch wenn bisher nach BGW-Angaben nur bei rund 1.000 Pflegenden Post-Covid diagnostiziert wurde: Die Pflegebetreiber beobachten die Entwicklung aufmerksam. Noch geben sie Entwarnung: So berichtet Saskia Schimpf von der Johanniter-Unfall-Hilfe in Rheinland-Pfalz: „Wir haben glücklicherweise nur sehr wenige Mitarbeitende, die noch nicht zu 100 Prozent wieder fit und belastbar sind. Hier unterstützen die Kolleginnen und Kollegen aus dem Team und übernehmen, wenn nötig, die eher anstrengenden Aufgaben.“
Wie lautet die Definition von Long-/Post-Covid?
Zur Bestimmung hilft die aktuelle Leitline (AWMF S1-Leitlinie Long/ Post-COVID), die vier mögliche Kategorien zur Bestimmung von Long-/Post-Covid definiert:
• Die Symptome aus der akuten Covid-19-Phase oder aus deren Behandlung bestehen fort.
• Einige der Symptome führen zu einer neuen, vorher nicht bestehenden gesundheitlichen Einschränkung.
• Die Patienten leiden an neuen Symptomen, die nach der akuten Phase aufgetreten sind, aber als Folge der Covid-19-Erkrankung verstanden werden.
• Eine zuvor schon bestehende Grunderkrankung verschlechtert sich.
Was ist der Unterschied zwischen Long-Covid und Post-Covid?
Abgegrenzt werden Long-Covid und Post-Covid über die Dauer: Bei einer akuten Covid-19-Erkrankung halten die Symptome bis zu vier Wochen an. Haben Pflegefachpersonen vier bis zwölf Wochen weiter Beschwerden, spricht man von Long-Covid. Wenn die Symptome dann immer noch nicht abgeklungen sind, spricht man vom Post- Covid-19-Syndrom.
Text: hgs
Dieser Artikel ist im September 2022 in der Ausgabe 30 des Magazins der Pflegekammer Rheinland-Pfalz erschienen. Hier können Sie einen Blick in die gesamte Ausgabe werfen!