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Foto: o12 / unsplash.com

Klimaschutz

Was Extremwetter für die Pflege bedeutet

Temperaturen über 35 Grad im Sommer, verlängerte Hitzeperioden, Starkregen, Orkane: Die Klimaveränderung ist allerorten spürbar, auch in Rheinland-Pfalz. Wie extreme Wetterphänomene unsere Arbeit verändern, erklärt Notfallmediziner Dr. Thomas Luiz vom Westpfalz-Klinikum.

Von Katastrophen wie etwa in Asien oder Australien kann man in Europa sicherlich noch nicht sprechen. Aber extreme Wetterphänomene nehmen auch bei uns zu – und das bekommen neben Feuerwehr und Katastrophenschutz besonders die Kollegen in den Notaufnahmen zu spüren. Auf diese Szenarien müssen sich Notfallmediziner, Pflegefachpersonen und Katastrophenschutz einstellen:

  • Hitzeerschöpfung, Hitzschlag oder Sonnenstich bei großen Outdoor-Veranstaltungen
  • eine ausgefallene Klimaanlage im ICE, der an einem heißen Sommertag auf freier Strecke liegen bleibt.
  • einen Blitzeinschlag bei Großveranstaltungen
  • den Zusammenbruch wichtiger Infrastruktur in Kliniken oder Heimen wie einen Stromausfall nach Blitzeinschlag oder den Ausfall der Heizungs- oder Klimatechnik
  • die Überflutung von Kliniken oder Pflegeeinrichtungen bei Hochwasser
  • die Evakuierung pflegebedürftiger Patienten aus ihren Wohnungen bei Hochwasser

Massenanfälle werden Wahrscheinlicher

Kommt es durch eines dieser Szenarien zu einem Massenanfall von Patienten in einer Klinik, gilt der Alarmplan. Die Erstversorgung der Patienten erfolgt in der Notaufnahme nach dem Triage-System: Zunächst gilt die Stabilisierung der massiv Verletzten, dann die Versorgung der weniger schwer Erkrankten. In der Folgephase verlagert sich die Belastung vor allem auf die Intensiv- und/oder Normalstationen.

Häufiger Grund für Massenanfall: Hitze

Bei einem Massenanfall an Patienten infolge von Temperaturextremen muss die Körpertemperatur normalisiert werden, im Extremfall auch mittels extrakorporaler Methoden, sprich, durch Infusionen. Nach einem Blitzeinschlag sind eine EKG-Ableitung und gegebenenfalls eine Monitorüberwachung notwendig.

Neu für uns: West-Nil-Fieber & Co.

Schließlich steigt durch extreme Hitze das Risiko für Infektionen, die bei uns bislang als „Tropenkrankheiten“ bekannt sind. Dazu gehören Dengue, Zika-, Chikungunya- und West-Nil-Fieber. Das bedeutet: Pflegefachpersonen in den Notaufnahmen brauchen Schulungen, um die Symptome schnell zu erkennen und Isolationsmaßnahmen einzuleiten.

Im Ernstfall: Leitstelle anrufen

Besteht eine akute Gefährdung, zum Beispiel durch anhaltenden starken Sturm oder Hochwasser, können sich Pflegedienste oder Betroffene an die die örtliche Leitstelle wenden. Die Einsatzkräfte werden dann prüfen, ob sie die Sicherheit und Versorgung vor Ort gewährleisten können, oder ob eine Räumung notwendig wird. Ist eine Evakuierung absehbar, sollten alle medizinischen Informationen über die Pflegebedürftigen frühzeitig der Leitstelle gemeldet werden. Wie viele Patienten benötigen Sauerstoff oder werden beatmet? Wie ist der Infektionsstatus?

Dringend Alarmpläne überarbeiten!

Eine Herausforderung bleibt angesichts der zu knappen Investitionsmittel die Finanzierung. Ein Massenanfall von Erkrankten, sowie der Ausfall technischer Infrastruktur infolge klimatischer Extreme müssen fester Bestandteil der Alarm- und Einsatzpläne sein. Wichtige Aspekte dabei sind auch die Überprüfung und Absicherung externer Lieferketten.

Einrichtungen, Organisationen, kooperiert!

Last, but not least: Alle Beteiligten sitzen hinsichtlich der akuten und langfristigen Klimafolgen im selben Boot. Kliniken, Altenpflegeeinrichtungen, Rettungsdienste, sowie Gesundheits- und Katastrophenschutzbehörden sollten ihre Planungen daher aufeinander abstimmen und sich gegenseitig bestmöglich unterstützen.

Interview: Dr. Thomas Luiz

Foto: Priv.-Doz. Dr. Thomas Luiz (©Westpfalz-Klinikum)

Zusatzinfo:

2003 gab es die meisten Todesfälle durch Hitze

Die Sterbefälle durch Hitze können nur geschätzt werden, weil der „Hitzetod“ als solcher eine extrem seltene Diagnose ist. Die geschätzte Zahl der Todesfälle infolge extremer Hitze lag in Deutschland im Sommer 2003 las mit 7.600 am höchsten, gefolgt von den Sommern im Jahr 2006 (6.200) und 2015 (6.100).

5 Tipps für extreme Hitzeperioden:

Bewohner und alte Patienten intensiv beobachten

Krankenbeobachtung wird für Pflegefachpersonen bei extremer Hitze noch einmal besonders wichtig. Gerade ältere und multimorbide Patienten und Bewohner brauchen viel Aufmerksamkeit, denn sie leiden besonders unter längeren Hitzeperioden: Sie dehydrieren sehr leicht, chronische Herz- und Lungenerkrankungen verschlimmern sich, das Risiko etwa für einen Schlaganfall steigt. Erschwerend kommt hinzu, dass alte Menschen häufig ein geringeres Durstempfinden haben.

Hitze kann nächtliches Delir auslösen

Außerdem kann die Hitze des Tages wie auch die fehlende nächtliche Abkühlung massive Schlafstörungen und Delire hervorrufen. Sobald Pflegefachkräfte in Altenpflegeeinrichtungen beobachten, dass sich der Gesundheitszustand eines Bewohners verschlechtert, sollten sie den Hausarzt informieren und abklären, ob etwa eine Infusion angezeigt ist.

Medikamente können sich verändern

Anhaltend hohe Temperaturen beeinflussen auch die Medikation. Wird die zulässige Lagertemperatur überschritten, kann sich die Wirksamkeit der Medikamente verändern. Sind Patienten zudem aufgrund der Hitze dehydriert, beeinflusst das auch die Wirkung der verabreichten Medikamente.

Hitze belastet auch das Personal

Bei außergewöhnlichen Hitzeperioden können kostenfreie Getränke und längere Pausen dazu beitragen, die gesundheitlichen Belastungen für die Beschäftigten zu reduzieren. Wichtig ist auch, Personal in die Wohnbereiche oder auf die Stationen zu verlagern, die am stärksten belastet sind. Ausgedehnte Operationen sollten – wenn möglich – verschoben werden, um die hitzebedingten Belastungen sowie die deutlich erhöhten Wundinfektionsrisiken zu minimieren.

Einrichtungen benötigen mehr Vorbereitung

Für Klinik- und Heimbetreiber empfiehlt sich, bei Neubauten klimatische Faktoren wie Lage, räumliche Ausrichtung und Begrünung stärker als bislang zu berücksichtigen. In Bestandsgebäuden kann – je nach Situation – das Anbringen von Jalousien, die natürliche Beschattung durch Bewuchs oder die nachträgliche Installation von Klimatisierungs- und Lüftungseinrichtungen sinnvoll sein.

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