Im Alter so lange wie möglich eigenständig zu Hause wohnen: Das entspricht dem Wunsch der meisten Menschen – und entlastet das Pflegesystem. Einen Weg, um alleinlebende Senioren mit niedrigschwelligen Angeboten zu unterstützen und ihre Sicherheit zu erhöhen, zeigt das Modellprojekt STuDi auf, das derzeit etwa 90 Senioren-Haushalte in der Region Trier erproben.
Smart Home für Senioren
STuDi steht für „Smart Home Technik und Dienstleistung für ein unabhängiges Leben zu Hause“. Die Idee: Senioren in der Häuslichkeit erhalten einen Tablet-Computer mit einer besonders einfachen und bedienungsfreundlichen Handhabung. Über ihren Internetanschluss, der für die Nutzung Voraussetzung ist, erhalten Sie Zugang zu moderner Informationstechnik – etwa eine Kalenderfunktion mit Erinnerungen, E-Mail und Videotelefonie. „Auf diese Weise können sie digital kommunizieren und Dienstleistungen wie beispielsweise einen Einkaufsservice oder eine Haushaltshilfe finden“, sagt Matthias Brünett, Altenpfleger und Pflegewissenschaftler am Deutschen Institut für angewandte Pflegeforschung (DIP), der das Projekt aus pflegewissenschaftlicher Perspektive betreut.
Intelligentes Zuhause erkennt Hilflosigkeit
Neben der Basis-Version gibt es auch die Variante STuDi plus, die ein zusätzliches Sicherheitspaket umfasst. Dafür werden in der Wohnung Bewegungssensoren installiert. Wenn der Nutzer Hilfe benötigt, erkennt das System das automatisch und benachrichtigt einen Hausnotrufdienst. „STuDi plus speichert den typischen Tagesablauf des Nutzers. Weicht dessen Verhalten plötzlich ab oder wird keine Aktivität registriert, schlägt das System Alarm“, erklärt Brünett. Dass das funktioniert, zeigte ein trauriges Ereignis während der Erprobungsphase: Eine Teilnehmerin verstarb im Schlaf – und STuDi benachrichtigte über den Hausnotruf Hilfe, als sie am Morgen nicht wie gewohnt aufstand.
Wichtiger Bestandteil des Modellprojekts ist ein aufsuchendes Beratungsangebot. Zwei erfahrene Pflegeberater stehen den Teilnehmern zur Seite und helfen dabei, Barrieren gegenüber der Technik abzubauen. Mit Erfolg: „Die älteste Teilnehmerin ist 95 Jahre alt und nutzt das System uneingeschränkt und in vollem Umfang – und das, obwohl sie in ihrem biografischen Kontext wenig bis keine Berührungspunkte zu EDV-Systemen, geschweige denn Smartphones oder Tablets hatte“, sagt Christoph Biegel, examinierter Gesundheits- und Krankenpfleger, der neben seiner Tätigkeit als Pflegeberater für das Projekt STuDi in einem ambulanten Pflegedienst arbeitet.
Videotelefonie fördert soziale Kontakte
Besonders erfreulich: Die rege Nutzung der Videotelefonie. „Die Teilnehmer kommunizieren mit ihren Angehörigen oder vernetzen sich per Videokonferenz untereinander“, berichtet Joachim Lames, gelernter Sozialversicherungsfachmann und sowohl für STuDi als auch für einen Pflegestützpunkt als Berater tätig.
Eine mögliche Weiterentwicklung wäre, über das System auch Beratungsgespräche oder Arzttermine durchzuführen. „Das könnte den alten Menschen das Leben deutlich erleichtern – insbesondere im ländlichen Raum“, so Biegel. Der Pflegefachmann ist überzeugt, dass digitale Smart-Home-Plattformen wie STuDi dazu beitragen können, Senioren ein unabhängiges Leben in der Häuslichkeit zu ermöglichen – und Pflegebedürftigkeit vorzubeugen.
Modellprojekt – und was kommt dann?
Fraglich ist jedoch, wie das finanziert werden soll. Ende Juni endet das Modellprojekt, das vom Ministerium für Soziales, Arbeit, Gesundheit und Demografie des Landes Rheinland-Pfalz gefördert wurde. Danach dürfen die Teilnehmer der Erprobungsphase die technischen Geräte zwar behalten – für die Beratungsleistungen gibt es aber kein Budget mehr. „Da es sich bei den Nutzern von STuDi um alte Menschen handelt, die nicht oder noch nicht pflegebedürftig sind, ist es derzeit nicht möglich, die Kosten über die Kostenträger der Pflegeversicherung abzurechnen“, so Brünett vom DIP.
Damit STuDi wie bisher weiterlaufen kann und ein solches System für alle Senioren zugänglich wird, müsse der Gesetzgeber die entsprechenden Rahmenbedingungen schaffen, fordert Pflegeberater Biegel. „Die Voraussetzungen sind ein flächendeckendes leistungsfähiges Internet sowie die Möglichkeit, die Beratungs- und Anschaffungskosten über die Pflegeversicherung oder die Sozialhilfe abzurechnen.“
Autorin: Kati Borngräber