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Schwerpunktthema

Resilienz - Wo Sie in Rheinland-Pfalz Unterstützung finden

Wer psychisch widerstandsfähig ist, ist eher in der Lage, auf schlechte Arbeitsbedingungen Einfluss zu nehmen. Die Landespflegekammer setzt deshalb verstärkt auf Angebote, die die Resilienz fördern.

Eine der größten Umfragen zur Arbeitszufriedenheit in der Pflege hat die Landespflegekammer beim renommierten Allensbach-Institut in Auftrag gegeben. Rund 2.660 Mitglieder wurden befragt. Das Ergebnis ist wenig erfreulich. Über die Hälfte der Befragten muss häufig aus dem Frei einspringen, knapp die Hälfe fühlt sich von ihren Vorgesetzten nicht wertgeschätzt, 30 Prozent denken öfter daran, aus dem Beruf auszusteigen.

Was tun? Die Landespflegekammer macht als Körperschaft des öffentlichen Rechts ihren Einfluss geltend, etwa in den vielen gesundheitspolitischen Gremien, in denen sie stimmberechtigt ist (siehe auch Kammermagazin, Ausgabe 13), und in den regelmäßigen Treffen mit dem Sozialministerium. Doch auch vor Ort muss etwas passieren. Der Arbeitsalltag muss sich für Pflegefachpersonen schnell verbessern, viele kleine Schritte sind notwendig, Konfliktbereitschaft und Durchhaltevermögen.

Deshalb ist Resilienz für die Landespflegekammer solch ein zentrales Thema. Denn sie bedeutet nicht nur, etwas aushalten und die widrigen Arbeitsverhältnisse ertragen zu können: Nein, Resilienz ist, so sagt man, „die Fähigkeit, Krisen zu bewältigen und sie durch Rückgriff auf persönliche und sozial vermittelte Ressourcen als Anlass für Entwicklungen zu nutzen“. Diese psychische Widerstandsfähigkeit ist bis zu einem gewissen Grad Veranlagung, aber längst nicht nur. „Resilienz ist ein dynamisches mehrdimensionales Konzept, sie kann im Laufe des Lebens mal abnehmen und mal zunehmen, ist lebensbereichsspezifisch und die positive Nachricht ist, sie entwickelt sich neben genetischen Einflussfaktoren durch Lernen und Erfahrung“, sagt der Stressforscher Dr. Omar Hahad (Foto in Galerie weiter unten) vom Zentrum für Kardiologie der Universitätsmedizin Mainz und Experte für die Auswirkungen von Umweltbelastungen auf die menschliche Gesundheit.

Kostenlose psychologische Beratung für Mitglieder

Und wie wird man resilient? Indem man sich mit dem, was einen belastet, auseinandersetzt. Das funktioniert oft gut, wenn man mit jemandem darüber spricht, der die richtigen Fragen zu stellen weiß – der einem hilft, Abstand zu gewinnen und aus einer anderen Perspektive auf das eigene Problem zu schauen. Die Landespflegekammer hat, um ihren Mitgliedern solche Gespräche zu ermöglichen, zu Beginn der Corona- Krise eine Kooperation mit der PsychotherapeutenKammer vereinbart, die eine kostenlose psychologische Beratung anbietet.

In solchen psychotherapeutischen Gesprächen oder aber auch in einer Supervision (oder einem Coaching) muss es nicht nur um Probleme wie Burnout, Depressionen oder Ängste gehen, auch wenn diese im März und April sicherlich im Vordergrund standen. Auch Konflikte mit Vorgesetzten oder Kollegen können thematisiert werden.

Ebenso wie der Ärger darüber, ständig aus dem Frei einspringen zu müssen. Gemeinsam mit der Psychotherapeutin oder dem Coach lässt sich beispielsweise überlegen, wie man beim nächsten Anruf der Vorgesetzten an einem freien Tag freundlich, aber bestimmt ablehnt.

Möglich ist auch, dass das Gespräch einem die Augen öffnet für bisher nicht bewusste Ressourcen oder Fähigkeiten. „Man lernt immer auch etwas über sich selbst. Das kann ich aus eigener Erfahrung sagen, denn ich habe regelmäßig Supervision. Ich würde mir das Leben doch unnötig schwer machen, wenn ich auf Supervision verzichte – wo sonst bekomme ich so viel Feedback auf mein Verhalten, meine Einstellungen und meine Entscheidungen?“, sagt etwa Markus Schmitt, Psychologische Leitung am Eichenberg Institut in Koblenz, das auf Coaching und psychologische Beratung spezialisiert ist und in Kooperation mit der IKK Südwest beruflich Pflegenden in Krankenhäusern, Pflegeheimen und Pflegediensten eine persönliche telefonische Supervision anbietet – und zwar als Teil der Betrieblichen Gesundheitsförderung.

Supervision kann einem Augen für eigene Ressourcen öffnen

Vorstellbar ist, dass eine Pflegefachperson in einer Supervision oder einer psychotherapeutischen Sitzung entdeckt, dass sie ein Talent hat, Menschen zusammenzubringen, und daraufhin entscheidet, ein Gespräch im größeren Rahmen über das ständige Einspringen aus dem Frei zu initiieren. So hätte sie letztlich, indem sie sich selbst hilft, auch ihren Kollegen geholfen.

Drei Tipps für mehr Resilienz

Psychotherapie, Supervision, Coaching – nicht jeder kann sich schnell dazu entschließen. Doch auch Kleinigkeiten können die Resilienz stärken:

  1. Sorgen Sie für Pausen und kurze Entspannungsmomente. „Das Konzept der Achtsamkeit wird häufig unterschätzt, aber wenn man kleine Übungen einstreut, sich auf dem Weg ins Patientenzimmer etwa auf den Boden fokussiert oder die Schritte zählt und die Umgebung für einen kurzen Moment ausblendet, kann das schon Entspannungsmomente schaffen, weil es ein kurzes Innehalten im Alltag ist“, sagt Stressforscher Dr. Omar Hahad. Der Psychiater Peter Tonn vom Neuropsychiatrischen Zentrum Hamburg empfiehlt auch, „sich jeden Morgen und Abend ganz für sich allein an zwei bis drei Kleinigkeiten zu erinnern, für die man im Laufe einer Schicht dankbar war. Das Lob eines Bewohners vielleicht oder der Kollege, der einem Kaffee gebracht hat. Sich das bewusst zu machen, stabilisiert die Widerstandskraft.“
  2. Versuchen Sie jeden Tag eine positive Aktivität in den Tag zu integrieren: ein Hobby, ein Gespräch oder Treffen mit Freunden - in jedem Fall eine Sache, die Sie positiv stimmt.
  3. Verzichten Sie auch in turbulenten Phasen nicht auf ausgleichende Mechanismen. „Oft neigen wir in hektischen Zeiten dazu, die Erholung quasi als Belohnung ans Ende zu stellen. Doch das ist nicht empfehlenswert, wir geraten dann in eine übermäßige, kontraproduktive Anspannung“, sagt Dr. Omar Hahad.

Das Leibniz-Institut für Resilienzforschung (LIR) in Mainz

In Mainz gibt es ein europaweit einzigartiges Institut, das sich ausschließlich und interdisziplinär mit dem Thema Resilienz beschäftigt und dabei insbesondere das Gehirn als zentrales Resilienzorgan beforscht.

Gegenwärtig hat das Institut ein Resilienz-Programm entwickelt, das maßgeschneidert ist für die Stärkung der psychischen Gesundheit von Menschen in Gesundheitsberufen – darunter bietet es zum Beispiel auch Programme für die Universitätsmedizin Mainz an. In diesem Präventionsprogramm geht es darum, seine Stressoren besser in den Griff zu bekommen, rechtzeitig Ressourcen aufzubauen, um langfristig gerade auch im Job gesund zu bleiben. Dabei werden unter anderem gemeinsam individuelle Strategien entwickelt, die die Teilnehmenden gut in ihren Alltagskontext integrieren können. „Es ist ein Gesundheitscoaching, das langfristig das Selbstmanagement im Umgang mit Stressoren stärkt“, erklärt Dr. Donya Gilan (Foto in Galerie weiter unten), die am LIR den Bereich Resilienz und Gesellschaft leitet.

Das LIR beschäftigt sich auch mit gesellschaftlichen Entwicklungen. So sei es erstaunlich, sagt Donya Gilan, dass seit Beginn der Pandemie so viele Menschen in Deutschland bereit gewesen seien, schnell ihr Verhalten anzupassen und Einschränkungen zum Schutz von Risikogruppen zu akzeptieren, und, dass sich ein starke kollektive Kooperationsbereitschaft entwickelt habe. „Jetzt überlegen wir, wie man diese prosozialen Verhaltensweisen am Leben erhalten kann, um die gesellschaftliche Resilienz zu stärken.“

Text: kig

Eine Gesamtansicht der Ausgabe 21 des Magazins der Pflegekammer Rheinland-Pfalz bieten wir Ihnen gleich hier unten. Wenn Sie sich diesen Artikel ausdrucken möchten, scrollen Sie bitte noch weiter runter: Dort finden Sie ein pdf zum Runterladen!

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