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Community Health Nursing bedeutet übersetzt so viel wie „Gesundheitspflege in der Gemeinde“.
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Community Health Nursing bedeutet übersetzt so viel wie „Gesundheitspflege in der Gemeinde“.

Community Health Nursing

Neues Berufsbild in der Primärversorgung

In vielen Ländern sind Pflegefachpersonen in wesentlich höherem Maße in die Primärversorgung eingebunden als hierzulande. Laut Koalitionsvertrag will Deutschland diesem Beispiel folgen und das neue Berufsbild „Community Health Nurse“ und etablieren. Zehn häufige Fragen und Antworten.

1. Was bedeutet Community Health Nursing? Community Health Nursing bedeutet übersetzt so viel wie „Gesundheitspflege in der Gemeinde“. Dabei handelt es sich um ein pflegerisches Berufsbild, bei dem akademisch qualifizierte Pflegefachpersonen in der primären Gesundheitsversorgung in Städten und ländlichen Regionen eingesetzt werden. Community Health Nurses, kurz CHN, sind erste Ansprechpersonen bei Fragen rund um Gesundheit und Krankheit. Sie legen besonderen Wert auf Gesundheitsförderung und Prävention, damit Gesundheitsprobleme frühzeitig behandelt oder – im besten Fall – vermieden werden. Community Health Nursing gehört zu den Masterstudiengängen, die auf Advanced Practice Nursing, also erweiterte und vertiefte Aufgaben für Pflegefachpersonen, vorbereiten.

2. Woher kommt das Konzept? In vielen anderen Ländern, zum Beispiel den USA, Großbritannien oder Finnland, ist das Konzept schon seit Jahrzehnten etabliert. Die Anfänge reichen bis ins 19. Jahrhundert zurück. Das Ziel war damals, armen und kranken Menschen zu Hause eine gesundheitliche Versorgung zukommen zu lassen. Zunehmend ging es auch um Anleitung und Prävention von besonderen Risikogruppen, zum Beispiel jungen Müttern, um die Säuglingssterblichkeit zu reduzieren. Das Berufsbild hat sich im Laufe der Zeit weiterentwickelt. In den USA übernehmen sie zum Beispiel körperliche Untersuchungen, behandeln einfachere Erkrankungen und dürfen auch Medikamente verschreiben.

3. Was machen Community Health Nurses in Deutschland? Die Einsatzbereiche und Aufgaben sind unterschiedlich. Sie sind in Hausarztpraxen, Gesundheitszentren oder Pflegeberatungsstellen tätig, machen aber auch Hausbesuche. Community Health Nurses schätzen die Situation der Patienten und ihre Gesundheitsbedarfe ein, unterstützen beim Selbstmanagement, koordinieren die weitere Versorgung und binden bei Bedarf andere Berufsgruppen ein, etwa Wundexperten, Ernährungsberaterinnen, Fachärzte oder Sozialarbeiterinnen.

4. Wer nutzt die Leistung? Community Health Nursing richtet sich vor allem an Gruppen, die gefährdet sind, bestimmte Krankheiten zu entwickeln, und an Menschen mit besonderen Bedarfen. Das können ältere Menschen sein, aber auch minderjährige Mütter oder Kinder aus sozial benachteiligten Familien. Es geht darum, diese Menschen kontinuierlich zu begleiten und zu beraten, um Gesundheitsprobleme zu vermeiden.

5. Warum soll Community Health Nursing nun auch in Deutschland eingeführt werden? Die Einführung des Berufsbilds ist im Koalitionsvertrag 2021–2025 verankert. Dort ist auch festgelegt, dass in besonders benachteiligten Kommunen und Stadtteilen niedrigschwellige Beratungsangebote, sogenannte Gesundheitskioske, für Behandlung und Prävention errichtet werden sollen. Damit soll Menschen mit besonderem Unterstützungsbedarf der Zugang zur Gesundheitsversorgung erleichtert und die Versorgung koordiniert werden. Geleitet werden sollen die Kioske laut Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach von examinierten Pflegefachpersonen im Sinne von Community Health Nursing. Hintergrund für diese Entwicklungen ist, dass es vor allem auf dem Land immer weniger Hausarztpraxen gibt und eine wohnortnahe Versorgung auch in Zukunft sichergestellt werden soll.

6. Was sind die Vorteile? Menschen mit Erkrankungen, Behinderung oder Pflegebedarf profitieren vor allem dadurch, dass sie eine kontinuierliche Ansprechperson in ihrer Gemeinde haben. Diese steht ihnen bei gesundheitlichen Fragen und Sorgen niedrigschwellig zur Seite. Auch kann sie durch den langfristigen Kontakt den Krankheitsverlauf und die Bedarfe sehr gut einschätzen. Das soll eine bessere Versorgung sicherstellen und dazu beitragen, dass zum Beispiel ältere Menschen länger in ihrer häuslichen Umgebung verbleiben können. Gleichzeitig steigert das neue Berufsbild die Attraktivität des Pflegeberufs und schafft neue Einsatzbereiche. Der Deutsche Berufsverband für Pflegeberufe (DBfK) betont, wie wichtig es ist, dass der Gesetzgeber dafür zusätzlich gesetzliche Regelungen zur Heilkundeübertragung schaffen muss.

7. Gibt es Kritiker des Konzepts? Ärzteverbände sprechen sich gegen eine „Versorgung light“ aus und verweisen auf die Gefahr von Doppelstrukturen, die sich mit dem Aufbau von Gesundheitskiosken ergeben könnten. Eine Community Health Nurse könne niemals die hausärztlichen Kollegen ersetzen, sagte der Präsident der Landesärztekammer Brandenburg (LÄKB), Frank Ullrich Schulz, im Oktober 2022. Auch lehnt er eine Substitution ärztlicher Diagnostik und Behandlung strikt ab. Das heißt, dass aus Sicht der LÄKB Community Health Nurses heilkundliche Aufgaben nicht selbstständig wahrnehmen sollen, sondern diese im ärztlichen Verantwortungsbereich verbleiben sollen.

8. Wie sieht die Ausbildung aus? Community Health Nursing ist eine akademische Qualifizierung für Pflegefachpersonen. In einem Masterstudium werden sie für den Einsatz vorbereitet. Das Studium läuft in Deutschland derzeit an der Evangelischen Hochschule Dresden (ehs), der Universität Witten-Herdecke und der Katholischen Stiftungshochschule München. Community Health Nursing gehört zu den Masterstudiengängen, die auf Advanced Practice Nursing, also erweiterte und vertiefte Aufgaben für Pflegefachpersonen, vorbereiten.

9. Welche Projekte laufen zurzeit in Deutschland? Es gibt unterschiedliche Community-Health-Nursing-Projekte in Deutschland. Drei wichtige sind:

FAMOUS – Fallbezogene Versorgung multimorbider Patienten und Patientinnen in der Hausarztpraxis durch Advanced Practice Nurses: Im Rahmen eines Forschungsprojektes führen studierte Advanced Practice Nurses in Zusammenarbeit mit Hausarztpraxen regelmäßige Hausbesuche durch, um Akutsituationen abzuwenden und Hausärzte zu entlasten. Das vom Bund finanzierte Projekt läuft noch bis 2024. Die Konsortialführung und Projektleitung liegt bei Prof. Dr. Renate Stemmer, Katholische Hochschule Mainz. Community Health Nursing in der Stadt (CoSta): In einem Hamburger Stadtquartier wird ein pflegezentriertes Versorgungskonzept für chronisch Kranke in einem Gesundheitszentrum erprobt – mit pflegegeleiteten Hausbesuchen, Sprechstunden und Schulungen. Community Health Nursing in Primärversorgungszentren – In mittlerweile 13 PORT-Gesundheitszentren werden vor allem chronisch erkrankte Menschen von interprofessionellen Teams betreut. Community Health Nurses kommt dabei eine besondere Bedeutung zu. PORT steht für „Patientenorientierte Zentren zur Primär- und Langzeitversorgung“.

10. Wird sich das neue Berufsbild in Deutschland etablieren können? Community Health Nursing ist politisch gewünscht, daher sind die Voraussetzungen gut. „Es gibt eine klare Lücke im Primärversorgungsbereich“, sagt Thomas Fischer, Professor für Pflegewissenschaft an der Evangelischen Hochschule Dresden (ehs). „Die Hausarztzentrierung ist nicht mehr zeitgemäß und wir brauchen eine stärkere Rolle der Prävention in der Kommune.“ Für diese Aufgabe bringen Community Health Nurses das richtige Kompetenzprofil mit. Allerdings müssten viel mehr Studienplätze mit Perspektive in der patientennahen Versorgung zur Verfügung gestellt werden – das ist eine erste Voraussetzung, um Community Health Nursing flächendeckend umzusetzen. (bt)

Lesen Sie hier die digitale Ausgabe 34 des Magazins der Landespflegekammer Rheinland-Pfalz:

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