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Foto: AKIRA | fotografie

Pflegekammer thematisiert Gewalt

Kleiner Hieb, große Wirkung

Gewalterlebnisse müssen nicht schweigend ertragen werden. Interview mit Hans-Josef Börsch, Vorstandsmitglied der Pflegekammer RL-P.

Herr Börsch, wo fängt Gewalt an? Ist es tatsächlich schon ein übellauniger Patient, der dem Pflegenden bockig die Mithilfe beim Anziehen verweigert?

Wo eine Gewalttat in der Pflege anfängt, ist schwer zu sagen. Gewalt beginnt dort, wo eine Pflegefachperson zum Opfer wird: verbal, körperlich oder psychisch. Oft liegt es auch an der pflegenden Person selbst, ob sie eine Situation als übergriffige Handlung empfindet oder nicht. Fest steht jedoch, dass keine dieser Handlungen einfach hinzunehmen ist, auch wenn sie zum Beispiel Ausdruck eines psychiatrischen Krankheitsbildes sind.

Sind Mitarbeiter einer psychiatrischen Station besser auf Gewalttaten vorbereitet?

In der Psychiatrie herrscht tendenziell ein stärkeres Gewaltpotenzial als in anderen Bereichen der Pflege, zumal die Wirkung eindrücklicher sein kann, wenn ein junger Mann in einer psychotischen Phase oder im Delir um sich schlägt. Auch wüste Beschimpfungen, Morddrohungen oder Totschlag sind tendenziell eher dort anzusiedeln. Professionell Pflegende, die in psychiatrischen Einrichtungen tätig sind, werden gezielt geschult, wie sie in solchen Situationen deeskalierend handeln und sich selbst bestmöglich schützen können. Aber wirklich vorbereitet ist wohl niemand auf eine Gewalttat. Das Erleben von Gewalt ist für die Mitarbeiter einer psychiatrischen Einrichtung ebenso schockierend wie für Mitarbeiter eines ambulanten Pflegedienstes. Angriffe auf seine Person als berufliches Risiko muss niemand hinnehmen. Jeder Beschäftigte hat ein Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit.

Was ist das ideale Vorgehen, wenn eine Pflegefachperson bei der Arbeit Opfer einer Gewalttat geworden ist?

Sich mitteilen, die Tat dokumentieren, Kollegen und Vorgesetzte informieren sowie den Arbeitgeber benachrichtigen. Auf keinen Fall dürfen diese Taten unbekannt bleiben.

Das Interview führte: Kerstin Werner

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