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Foto:  Daniel Bergs

Umstellung für die Teams

Generalistik: So können wir die Auszubildenden unterstützen

Mit der Generalistik verändern sich auch die Auszubildenden. Es ist wichtig, dass die Teams sich darauf einstellen: damit der Nachwuchs sich verstanden fühlt und der Pflegeprofession lange erhalten bleibt.

Der Beginn des zweiten Jahres – für Auszubildende war das lange die Zeit, in der sie anfingen, sich sicher zu fühlen, auf Station und im Wohnbereich oft schon die anspruchsvolleren Tätigkeiten zugeteilt bekamen. Heute ist es häufig eher das verflixte zweite Jahr. Warum?

Die Auszubildenden verbringen das gesamte erste Jahr in ihrem Vertiefungsbereich: in der Akutversorgung, in der Langzeitpflege, einige auch in der Kinderkrankenpflege. Haben sie die Vertiefung Langzeitpflege gewählt, kommen sie zu Beginn des zweiten Jahres ins Krankenhaus. Sie sehen dann vielleicht zum ersten Mal, wie eine Infusion angehängt oder ein zentraler Venenkatheter versorgt wird. Ähnlich ist es für Auszubildende mit dem Ausbildungsziel Pflegefachfrau/-fachmann: Sie sind möglicherweise völlig ungeübt im Umgang mit Demenzkranken und verstehen nicht, warum es wichtig ist, bei der Morgenroutine so genau auf die Gewohnheiten der Bewohner zu achten.

Die Auszubildenden tauchen im zweiten Jahr also in eine völlig neue Welt ein. Das bedeutet auch für die Teams eine Umstellung: Sie können nicht mehr so viel Wissen und Erfahrung voraussetzen und müssen viel mehr erklären. Das gilt eigentlich die gesamte Ausbildung hindurch. Denn auch, wenn die Auszubildenden ohne besonderen Vertiefungsschwerpunkt am Ende des zweiten Jahres aus ihren Außeneinsätzen in die Klinik zurückkehren, finden sie sich oft nicht mehr so schnell wieder in die Stationsroutine ein. Schnell mal eine Infusion richten, eine subkutane Spritze verabreichen – solche Dinge gehen ihnen nicht mehr so schnell von der Hand. „Es ist ganz wichtig, dass die Teams darauf Rücksicht nehmen. Anderenfalls geraten die Azubis schnell unter Druck, wenn es heißt: ‚Das müsst ihr doch jetzt können!‘ Es ist wichtig, erst zu fragen: ‚Wo warst du? Was hast du gemacht? Was brauchst du noch?‘“, sagt Tina Wilhelm, Kommissarische Schulleitung des Ausbildungszentrums der Universitätsmedizin Mainz.

Eigene Vorurteile hinterfragen, nicht leichtfertig urteilen

Hilfreich ist auch, sich offen und tolerant zu zeigen, sich nicht geringschätzig über die Altenpflege oder die Krankenpflege zu äußern. Leider erleben Auszubildende immer wieder Unverständnis während ihrer Einsätze. So berichtet die 20-jährige Meret Platte, die im September 2023 ihr Examen macht: „Ich habe mich ganz bewusst für die Altenpflege entschieden, mir gefällt der persönliche Umgang mit den Bewohnern. Doch als ich ins Krankenhaus kam, fragte man mich, warum ich mir das antue, man würde in der Altenpflege doch nur waschen. Solche Kommentare verleiden mir den Einsatz, zumal sie nicht stimmen. Und was wäre denn die Konsequenz, würden ich und die vielen anderen Auszubildenden mit Langzeitpflege-Vertiefung den Ratschlägen folgen? Wir brauchen doch dringend Altenpflegefachkräfte.“

Tatsächlich ist immer wieder zu hören, dass es in den Krankenhäusern Versuche gibt, Auszubildende aus der Langzeitpflege abzuwerben. Doch da lässt sich gegensteuern. „Ich kann nur raten, die Auszubildenden im zweiten Jahr so häufig wie möglich an ihren fremden Einsatzorten zu besuchen. Es lohnt sich, den Kontakt aufrechtzuhalten und Zusammengehörigkeitsgefühl zu vermitteln“, sagt Pflegewissenschaftlerin Jacqueline Stiehl, die unterrichtet, coacht und gerade ein Buch über die Prüfungsvorbereitung in der generalistischen Ausbildung geschrieben hat.

Auszubildende brauchen Entgegenkommen

Gegensteuern können Eirichtungen aus der Langzeitpflege auch, indem sie möglichst viele Praxisanleiterinnen oder -anleiter garantiert für ihre Einsätze freistellen. Das macht die Einsätze für Auszubildende definitiv attraktiver. Wenn die Einrichtungen bei den Kooperationsverträgen auf die Kompensationszahlungen achten, ist die finanzielle Belastung durch teilweise freigestellte Praxisanleiter oft auch gar nicht so dramatisch wie oft befürchtet.

Natürlich sind auch die Auszubildenden mehr als zuvor gefordert. Für sie heißt es, ihre Einsätze aktiv zu gestalten: den Ausbildungsordner mitzubringen, das Team über den eigenen Erfahrungs- und Wissensstand sowie über die anstehenden Praxisaufgaben zu informieren. Allerdings: Viele sind sehr jung und es noch nicht gewohnt, auf andere zuzugehen. Tanja Schaller, Schulleiterin der Diakonissen Pflegeschule Speyer: „Sie brauchen Entgegenkommen, Verständnis.

Man darf sie auch nicht überfordern und gleich mit einem ganzen Wohnbereich allein lassen. Beachtet man all dies, stehen die Chancen gut, dass sie die Ausbildung erfolgreich abschließen und lange im Beruf bleiben.“

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