Frau Dr. Drießen, wie wirken hochfrequente elektromagnetische Felder auf den Menschen?
Erwiesen ist eine thermische Wirkung, das heißt eine Erwärmung. Alle Grenzwerte beruhen auf dieser thermischen Wirkung. Sie verhindern, dass wir beim Telefonieren übermäßig erwärmen oder eine nennenswerte Temperaturschwankung stattfindet, wenn man neben einer Mobilfunk-Antenne wohnt.
Tatsächlich werden auch noch andere, athermische Wirkungen diskutiert. Es gibt Studien, die etwa auf einen Zusammenhang mit Krebserkrankungen hindeuten. Oft sind solche Zusammenhänge statistisch nur wenig signifikant – aber dennoch sind sie da und stehen im Raum. Das Gleiche gilt zum Beispiel für Wirkungen auf den Schlaf, das EEG oder die Kognition.
Wie belastbar ist die Studienlage hierzu?
Konsistent sind solche athermischen Wirkungen bisher nicht nachgewiesen. Die Internationale Agentur für Krebsforschung hat hochfrequente Strahlung als „möglicherweise krebserregend“ eingruppiert. Hauptsächlich aus epidemiologischen Studien, aber auch aus ein paar Tierstudien geht hervor, dass es hier einen Zusammenhang geben könnte. Aber: Wir haben ebenso viele gute Studien, die genau diesen Zusammenhang nicht zeigen. Aus diesem Grund kann man das bislang nicht klar bewerten und sagt: möglicherweise krebserregend.
Brauchen wir mehr Transparenz?
Die WHO möchte jetzt Abhilfe schaffen und hat verschiedene systematische Reviews in Auftrag gegeben. Das ist auch der Goldstandard, wie solche wissenschaftlichen Daten ausgewertet werden sollten. Denn bislang forscht jeder eher ein bisschen vor sich hin, teils ohne richtige Hypothese. Das führt zu einem riesengroßen Sammelbecken an Studien weltweit in unterschiedlichster Qualität – was es dann auch so schwierig macht, in der Gesamtschau daraus etwas abzuleiten.
Wie berechtigt ist die Sorge, dass Mobilfunk eine unterschätzte Gefahr darstellt – mit Blick auch auf vulnerable Gruppen?
Wenn es richtig harte, schlimme Effekte gäbe, dann hätten es die vorhandenen Studien schon gezeigt. In die Grenzwerte ist ein Sicherheitsfaktor eingerechnet, sie gelten auch für geschwächte Menschen. Nur könnte es eben dennoch Restrisiken geben – und es würde sich sicher lohnen, diese im Sinne einer guten Vorsorge weiter zu untersuchen. Allerdings fehlt bei uns meines Erachtens der politische Wille, weitere systematische Untersuchungen zu fördern und auch nachhaltig am Ball zu bleiben. Vielleicht möchte man die Diskussion gar nicht neu anfachen.
Inwieweit erhöht WLAN die Strahlenbelastung von Mitarbeitern und Patienten?
Zu den Quellen, etwa den Routern, besteht ja meist Abstand, wenn sie zum Beispiel oben im Raum hängen. Sobald man sich von einer solchen Strahlenquelle entfernt, nehmen die Felder sehr schnell ab. Die stärkste Exposition gibt es beim Telefonieren mit dem Handy. Daher ist es sinnvoll, zur Eigenvorsorge die Freisprechanlage zu nutzen, die Gespräche kurz zu halten und zu schauen, dass man einen guten Empfang hat – oder aber, wenn möglich, gleich auf kabelgebundenes Festnetz auszuweichen. Patienten oder Eltern entscheiden letztlich ja selbst, wie intensiv sie ihr Mobilgerät nutzen beziehungsweise von ihren Kindern nutzen lassen.
Im Arbeitsalltag spielt eine Dateneingabe über Tablet oder Smartphone keine große Rolle?
Wenn ich das Gerät die ganze Zeit eng am Körper habe, es mit WLAN verbunden und der Empfang schlecht ist, kann es schon sein, dass der Grenzwert ausgeschöpft wird. Dann wäre es vergleichbar mit einem Handy, das ich mir ans Ohr halte. Aber wenn ich nur hin und wieder Daten über ein mobiles Gerät eingebe oder offline arbeite, sehe ich kein Problem.
Die stärkste Exposition gibt es beim Telefonieren mit dem Handy. Daher ist es sinnvoll, zur Eigenvorsorge die Freisprechanlage zu nutzen, die Gespräche kurz zu halten und zu schauen, dass man einen guten Empfang hat.
Dr. rer. nat. Sarah Drießen, ist Wissenschaftlerin am femu der RWTH Aachen University. Dort leitet sie das EMF-Portal, die weltweit umfassendste wissenschaftliche Literaturdatenbank zu biologischen und gesundheitlichen Wirkungen nicht-ionisierender elektromagnetischer Strahlung.
Mehr über die Arbeit der Landespflegekammer Rheinland-Pfalz lesen Sie in Ausgabe #24 des Kammermagazins.