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Eine Insolvenzwelle rauscht durch die deutsche Gesundheitslandschaft. Mit Folgen für Patientinnen und Patienten, ärztliches Personal und Pflegefachpersonen.
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Eine Insolvenzwelle rauscht durch die deutsche Gesundheitslandschaft. Mit Folgen für Patientinnen und Patienten, ärztliches Personal und Pflegefachpersonen.

Finanznot

Die Insolvenzwelle rollt

Die Situation der Gesundheitsversorgung spitzt sich auch in Rheinland-Pfalz zu. Insolvenzen von ambulanten und stationären Pflegeeinrichtungen häufen sich, im Klinikbereich entwickelt sich die Lage geradezu dramatisch. Welche Folgen hat das für die Pflegefachpersonen?

Eine Insolvenzwelle rauscht durch die deutsche Gesundheitslandschaft. Mit Folgen für Patientinnen und Patienten, ärztliches Personal und Pflegefachpersonen. Die Gründe sind vielfältig: gestiegene Energiekosten, allgemeine Inflation, höhere Löhne dank Tariftreuegesetz und insgesamt fehlendes Pflegepersonal, insbesondere Pflegefachpersonen. Auch Rheinland-Pfalz ist von dieser Welle bedroht, wie die Ergebnisse einer repräsentativen Umfrage der Krankenhausgesellschaft Rheinland-Pfalz (KGRP) im Mai zur wirtschaftlichen Situation der Kliniken belegen. Nahezu zwei Drittel der Krankenhäuser (65 Prozent) gaben an, das Jahr 2022 mit einem Defizit abgeschlossen zu haben. Ohne staatliche Hilfszahlungen wären sogar fast alle (96 Prozent) Ergebnisse negativ. Und die Aussichten verschlechtern sich weiter: 82 Prozent der Kliniken rechnen auch 2023 mit einem Jahresfehlbetrag. Den Umfragezahlen folgte Ende Juli der traurige Beleg: Die fünf DRK-Kliniken in Rheinland-Pfalz mit rund 4.500 Beschäftigten meldeten Insolvenz an. Mit einem „Runden Tisch“ bei Gesundheitsminister Clemens Hoch konnte der Weiterbetrieb erst einmal gesichert werden. Aber, das sagte der Minister auch, ein dauerhaftes finanzielles Einspringen des Landes bei laufenden Kosten der Kliniken könne es in Zukunft nicht geben. Auf Nachfrage heißt es konkret: „Die finanzielle Unterstützung für Kliniken im Falle von Insolvenzen liegt bei den Kommunen oder dem Bund und wird durch das duale System der Krankenhausfinanzierung klar geregelt.“ 33 Pflegeheime und 255 Pflegedienste geschlossen Auch im Bereich der ambulanten und stationären Pflege sieht es dramatisch aus. Deutschlandweit wurden bis Juni 2023 33 Pflegeheime, 255 Pflegedienste und 100 Tagespflegen geschlossen, meldet das Löschradar des Branchendienstes Pflegemarkt.com. Damit gingen 1.665 vollstationäre Plätze verloren und über 11.000 Patientinnen und Patienten mussten sich einen neuen Pflegedienst suchen. Die betroffenen Tagespflegen stellten 1.371 Plätze zur Verfügung. Für Rheinland-Pfalz gibt das für die Pflegeeinrichtungen zuständige Ministerium für Arbeit und Soziales Entwarnung. Ihm sei, so die Auskunft des Ministeriums auf Anfrage, nur eine stationäre Einrichtung bekannt, die im ersten Halbjahr 2023 in Insolvenz gegangen ist, und folgert: „Eine breite Insolvenzwelle zeichnet sich derzeit nicht ab.“ Beim Bundesverband privater Anbieter sozialer Dienste (bpa) hat man andere Zahlen und verweist unter anderen auf die Insolvenzen der Convivo-oder der Dorea-Gruppe, die auch Einrichtungen in Rheinland-Pfalz betreiben.

Eine Umfrage unter den bpa-Mitgliedern in Rheinland-Pfalz ergab, dass mehr als die Hälfte der Einrichtungen sich große Sorgen um ihre wirtschaftliche Existenz machen. Das trifft auch auf die Einrichtungen der freien Wohlfahrtspflege zu. Albrecht Bähr von der Arbeitsgemeinschaft Diakonie in Rheinland-Pfalz: „Wir leiden erheblich.“ Auch bei ihnen gebe es große Gewinneinbrüche, die Versorgungssicherheit in der Langzeitpflege sei stark gefährdet. Immerhin „nimmt das Sozialministerium aus dem Kreis der Pflegeeinrichtungen verstärkt Hinweise über zunehmenden wirtschaftlichen Druck wahr, etwa durch den Mangel an Pflegefachpersonen und in der Folge sinkende Auslastungsquoten, sowie die aktuell dynamische Preis- und Lohnentwicklung“, so Bähr. Finanziell will sich das Sozial-ministerium aber ähnlich wie das Gesundheitsministerium nicht engagieren: „Hier stehen die Vereinbarungspartner aufseiten der Leistungserbringer und der Kostenträger in der Verantwortung.“

Markus Mai: Insolvenzen bedeuten Stress In Baden-Württemberg sieht man das anders. Dort hat das Land eine Akuthilfe in Höhe von 126 Millionen Euro aufgelegt, um Insolvenzen abzuwenden. Ähnliches fordert nun auch RLP-Pflegekammerpräsident Dr. Markus Mai von der rheinland-pfälzischen Landesregierung: „Die politischen Entscheidungsträger müssen jetzt handeln und finanzielle Unterstützung bereitstellen, um bedrohten Kliniken und Pflegeeinrichtungen schnell zu helfen. Das Überleben von Krankenhäusern und Pflegeheimen darf nicht dem Zufall überlassen werden.“ Auch wenn Pflegefachpersonen in Zeiten des Fachkräftemangels bei Verlust des Arbeitsplatzes durch Insolvenz kaum die Arbeitslosigkeit droht, erzeugt sie doch Ängste. Markus Mai: „Die Insolvenzwelle bedeutet für ohnehin schon stark beanspruchte Pflegefachpersonen mehr Arbeit und Stress.“ Und „wenn Einrichtungen schließen, wirft dies ernsthafte Fragen zur Qualität der Pflegeausbildung auf, und dies könnte die Aussicht auf eine erfüllende Karriere in der Pflege erheblich beeinträchtigen“.

Lesen Sie hier die digitale Ausgabe 34 des Magazins der Landespflegekammer Rheinland-Pfalz:

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