Image
Individuelle Lösungen können zu einem gesunden und langen Berufsleben beitragen.
Foto: Annemieke Gieseke
Individuelle Lösungen können zu einem gesunden und langen Berufsleben beitragen.

Resilienz

Damit Pflegende nicht mit 50 aufgeben

Der Pflegeberuf ist in den vergangenen zehn Jahren deutlich anstrengender geworden. Ältere Pflegefachpersonen leiden darunter besonders. Nicht wenige verlassen den Beruf, bevor sie das offizielle Rentenalter erreicht haben. Was Arbeitgeber dagegen unternehmen können.

Wenn sich eine über 50-jährige Pflegefachperson nicht mehr fit für die Nachtwache fühle, müsse sie gehen oder sich versetzen lassen, ins Archiv etwa. So äußerte sich vor gut zehn Jahren ein Pflegedirektor eines großen Städtischen Krankenhauses. „Wer heute noch so agiert, wird bald richtig schlimme Personalprobleme haben“, meint Arne Evers, Pflegedirektor am St. Josefs-Hospital Wiesbaden. Denn jetzt, da die geburtenstarken Jahrgänge anfangen, in Rente zu gehen, gilt es, die Pflegenden so lange wie möglich im Beruf zu halten. Doch wie kann das klappen? Das Schlüsselwort lautet: flexible Arbeitszeiten. Der Ansatz ist nicht neu. So manche Einrichtungen locken damit in ihren Stellenanzeigen – und merken, wie schwer es ist, das Versprechen umzusetzen. Das St. Josefs-Hospital Wiesbaden geht es jetzt deshalb systematisch an. „Wenn eine ältere Mitarbeiterin sagt, sie sei erschöpft und benötige eine besondere Dienstzeit, dann müssen wir das möglich machen, aber auch bedenken, dass das Auswirkungen auf die Prozesse hat“, sagt Arne Evers. „Die Kollegin, die später kommt, braucht beispielsweise eine eigene Übergabe und kann vielleicht keinen eigenen Bereich übernehmen. Das muss alles individuell geplant werden und birgt natürlich auch Konfliktpotenzial.“ Kurzdienste und 10-Stunden-Dienste im UKE Das Universitätsklinikum Hamburg Eppendorf hat die Flexibilisierung von Dienstzeiten in der Pflege sehr fokussiert. In dem Projekt „Arbeiten 5.0“ hat das Klinikum in einer intensiven Analysephase die Prozesse und die Arbeitsspitzen im Tagesverlauf erhoben. Auf dieser Grundlage konnte ein System an „neuen Diensten“ entwickelt werden. Es gibt jetzt ein Portfolio von Dienstzeiten zwischen 4 und 10 Stunden zur Unterstützung arbeitsintensiver Dienste und zur Optimierung der Vereinbarkeit von Beruf, Familie und Freizeit. „Es ist dabei ebenso wichtig, die vielfältigen Bedürfnisse der Kolleginnen und Kollegen aller Altersstufen und Lebensphasen im Auge zu haben, wie auch von den Potenzialen in der Zusammenarbeit unterschiedlicher Generationen und deren Erfahrungen zu profitieren “, sagt Ute Düvelius, Leiterin des Stabsbereichs Personalgewinnung und -bindung am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf (UKE).

Im Universitätsklinikum Hamburg Eppendorf zeigt sich, dass Flexibilität nur begrenzt in einer Struktur festgelegt werden kann. In der Umsetzung des Projektes entwickeln die Bereiche die Dienstzeiten individuell weiter und stimmen sie auf die jeweiligen Prozesse ab.

Ein Appell: offen über Einschränkung sprechen Auch die Inhalte der Arbeit lassen sich flexibilisieren: Ältere Pflegende können sich eventuell mehr am Stationsstützpunkt und in die OP-Vorbereitung einbringen, das Stationssekretariat übernehmen oder in einer Ambulanz arbeiten. „Wichtig ist nur, dass die Mitarbeiterin ihre Einschränkung konkret anspricht, dabei muss sie die Diagnose natürlich nicht nennen“, sagt Arne Evers. Mit Offenheit lassen sich viel besser individuelle Lösungen finden.

Beispiel Nachtdienst: Wenn er nicht mehr machbar scheint, können Schlafstörungen der Grund sein. Vielleicht liegt es aber auch daran, dass die Kraft fehlt, Patienten allein zu bewegen. Dann könnte man der Pflegefachperson eine Hilfskraft an die Seite stellen. Die Zeiten, in denen Klinikleitungen bei Einschränkungen nur Richtung Archiv wiesen, sind allmählich vorbei. Sie fangen an, sich ernsthafte Gedanken zu machen – wie das St. Josefs-Hospital Wiesbaden, das sich auf dem Weg zum „neuen Mindset“, wie Arne Evers es nennt, mit dem UKE über mögliche Lösungen ausgetauscht hat.

Wie Ältere ihre Resilienz stärken können – 4 Tipps

Zähne zusammenbeißen, nicht klagen – das ist eine recht weit verbreitete Maxime in der Generation der Baby-Boomer. Sie hat in manchen Situationen ihre Berechtigung, aber den Umgang mit dem Älterwerden erschwert sie: Die Betroffenen setzen sich selbst enorm unter Druck und neigen zu Ganz-oder-gar-nicht-Entscheidungen (100 Prozent arbeiten oder ganz aufhören). Dass Erleichterungen möglich sind, dass es einen Mittelweg gibt – das ziehen viele nicht in Erwägung, hat Gabriela Koslowski beobachtet. Die examinierte Krankenschwester und psychologische Beraterin, selbst Ende 50, ist Expertin für das Älterwerden im Pflegeberuf: Sie gibt Resilienz-Seminare für ältere Pflegefachpersonen und schreibt gerade ein Buch über das Älterwerden im Pflegeberuf. Ihre speziellen Resilienz-Tipps für Ältere:

  • Stellen Sie Glaubenssätze, mit denen Sie aufgewachsen sind, infrage, etwa: „Was du heute kannst besorgen, das verschiebe nicht auf morgen.“ Warum sollte man, wenn man erschöpft ist, nichts verschieben? Die meisten Aufgaben sind nicht so dringend, dass sie sofort erledigt werden müssen.Setzen Sie sich nicht gegenseitig unter Druck, indem Sie sich kritisch beäugen und die Nase rümpfen, wenn Ihre ebenfalls ältere Kollegin die Arbeitsstunden reduziert oder stets pünktlich geht. Machen Sie eine richtige Pause statt vier hektischer Zigarettenpausen. Das lässt sich mit einer kompetenten Leitung durchaus organisieren. Zögern Sie nicht: Es sollte der Stations- oder Wohnbereichsleitung ein Anliegen sein, denn dauerhafter Verzicht auf eine halbe Stunde Pause führt oft zum Burn-out. Nehmen Sie sich auch außerhalb der Arbeit kleine Auszeiten und stürzen Sie nicht von der Arbeit zum Supermarkt und von dort in den Haushalt – schlendern Sie über den Wochenmarkt, gehen Sie mit einer Freundin oder Kollegin einen Kaffee trinken oder, oder, oder ...

Lesen Sie hier die digitale Ausgabe 34 des Magazins der Landespflegekammer Rheinland-Pfalz:

Das könnte Sie auch interessieren...