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Das Projekt  VerA bietet  Auszubildenden ein kostenloses Coaching durch ehrenamtliche Fachleute im Ruhestand an.
Foto: SeS Bonn
Das Projekt  VerA bietet  Auszubildenden ein kostenloses Coaching durch ehrenamtliche Fachleute im Ruhestand an.

Ethik

Auszubildende stärken, Fachkräfte gewinnen

Dass Auszubildende nicht abbrechen, ist inzwischen zu einem ethischen Anliegen geworden: Fehlt der Nachwuchs, leidet die Pflegequalität extrem, die Menschenwürde steht auf dem Spiel. Gut also, dass es Projekte wie den Senior Experten Service (SES) gibt, die Auszubildende auf dem Weg in den Beruf. unterstützen.

Den Fachkräftemangel in der Pflege zu bekämpfen, steht einerseits hoch im Kurs. Doch ob der Kampf im Einzelfall gelingt, zeigt sich oft erst auf einer langen, holprigen Reise durch die bundesdeutsche Wirklichkeit. Zum Beispiel in Kaiserslautern. Als die 31-jährige Chiraz Ebeji aus Tunesien im Oktober 2022 nach Deutschland kam, um eine Ausbildung zur Pflegefachfrau zu beginnen, lag bereits eine mehrjährige Vorbereitung auf ihr zukünftiges Berufsleben hinter ihr. Nach ihrem Abitur hatte sie hochmotiviert Deutsch bis zum B2-Zertifikat gelernt – und in ihrem Heimatland auch bereits eine Ausbildung als Altenpflegehelferin abgeschlossen.

Die Abkürzungen haben Chiraz Ebeji zu schaffen gemacht Der Start am Krankenhaus in Kaiserslautern verlief dennoch mehr als holprig. Denn anders als geplant, durfte die junge Mutter ihr einjähriges Kind und den Ehemann wegen formaler Fehler der Vermittlungsorganisation nicht nachholen. Zu den großen persönlichen Sorgen kamen Probleme mit ihrem Aufenthaltsstatus und – Sprachschwierigkeiten. Neben dem anspruchsvollen Fachvokabular und den zahlreichen Abkürzungen in der medizinischen Sprachwelt, die sehr viele Auszubildende fordern, hatte Chiraz vor allem mit dem pfälzischen Dialekt Schwierigkeiten. „Wir haben in Tunesien Hochdeutsch gelernt“, erzählt sie, „die gesprochene Sprache meiner Ausbilderinnen, Kollegen und Patienten auf der Station zu verstehen, ist aber etwas ganz anderes.“

All dies führte dazu, dass Chiraz wegen schlechter Noten an der Pflegeschule beinahe die Probezeit nicht bestanden hätte. In der Konsequenz hätte sie möglicherweise nicht in Deutschland bleiben können – und wäre nach Tunesien zurückgereist. Doch inzwischen versteht sich Shiraz nicht nur mit den Kollegen – und kann sich gut mit ihnen verständigen. Sie hat auch erfreulich gute Noten in der Berufsschule und ist glücklich mit ihrer gewählten Spezialisierung auf die Kinderkrankenpflege. Auch ihre Probleme mit der Ausländerbehörde konnten mittlerweile geklärt werden – und die kleine Familie durfte inzwischen einreisen. Unterstützt wurde die junge Tunesierin in diesem schwierigen ersten Jahr von VerA, einem vom Bundesministerium für Wissenschaft und Forschung geförderten Programm des Senior Experten Service (SES). Das Ziel des Programms: die Hürden und Stolpersteine während der Ausbildung aus dem Weg räumen und so Ausbildungsabbrüche verhindern. Dafür bietet VerA Auszubildenden ein kostenloses Coaching durch ehrenamtliche Fachleute im Ruhestand an – bei Bedarf über die gesamte Ausbildungszeit.

Das Programm, das klassischerweise als Eins-zu-eins-Mentoring organisiert wird, gibt es seit 2008. Mehr als 18.000 Ausbildungsbegleitungen haben bundesweit seitdem stattgefunden; ein aktueller Schwerpunkt ist die Unterstützung von Azubis in Pflege- und Gesundheitsberufen mit Flucht- oder/ und Migrationshintergrund. Die Erfolgsquote ist hoch: 70 bis 80 Prozent der Auszubildenden im VerA-Programm konnten ihre Ausbildung sicher abschließen.

Die beruflichen Hintergründe der ehrenamtlichen Ausbildungsbegleiter sind vielfältig. Was zählt, ist, dass sich die Person gern für junge Menschen engagieren möchte, im Ruhestand ist und langjährige Berufserfahrung mitbringt. Sprachcoaching und Alltagsunterstützung sind die zwei großen Themen bei den wöchentlichen Treffen von Mentoren und Auszubildenden.

Die Sprachunterstützung ist an den Pflegeschulen angesiedelt Shiraz’ Ausbildungsbegleiterin, die 63-jährige Jutta Strobel, ist pensionierte Deutschlehrerin und hat das VerA-Programm erst Anfang 2023 für sich entdeckt. Schön sei, dass sie so einige Stunden pro Woche weiter als Pädagogin tätig sein und das tun könne, was sie besonders liebe: junge Menschen auf ihrem Lebensweg begleiten, berichtet Strobel. Als Shiraz in den dunkelsten Stunden des letzten Jahres schon aufgeben wollte, gelang es Strobel, der jungen Frau am Telefon gut zuzureden. „Ich sehe meine Aufgabe vor allem in der moralischen Unterstützung. Der Druck, unter dem die jungen Leute stehen, ist wirklich gewaltig. Sie müssen ihren Alltag in einem neuen Land bewältigen, und sich gleichzeitig von Tag eins an auf der Station und in der Schule bewähren. Da ist einfach wichtig, dass jemand da ist, der zu ihnen hält.“ Betreut werden die VerA-Teams von deutschlandweit 80 ehrenamtlichen Regionalkoordinatoren und -koordinatorinnen. Einer von ihnen ist Klaus Zimmermann, zuständig für Kaiserslautern und die Südpfalz. Der ehemalige VW-Manager arbeitet nicht nur engagiert daran, dass möglichst jede Ausbildung ein Erfolg wird – er möchte auch die Zahl der Ausbildungsbegleitungen weiter steigern. Dafür hat Zimmermann ein Modell entwickelt, das die Sprachunterstützung in Kleingruppen anbietet und direkt an den Pflegeschulen angesiedelt ist. Mit Erfolg: Allein in diesem Jahr liegt die Zahl der Ausbildungsbegleitungen mit 32 in Kaiserslautern weit über der des Vorjahres. Damit die sprachliche und fachsprachliche Unterstützung besonders intensiv angeboten werden kann, strickt Zimmermann außerdem an einem Unterstützungsnetz mit weiteren Ressourcen wie dem VHS-Deutschprogramm und einer engen Zusammenarbeit von Ausbildungsbegleitern, Pflegeschulen, Regionalkoordinatoren und den Praxisanleitern im Klinikum. „Die Begleitung funktioniert auch in der Kleingruppe sehr gut – und erreicht so mehr Auszubildende“, plädiert Zimmermann für seine VerA-Variante. „Wenn Mentoren es sich zutrauen und dazu bereit sind, können sie deshalb auch bis zu vier Personen betreuen.“

Auch Jutta Strobel hat noch einen zweiten Schützling unter ihre Fittiche genommen, ebenfalls eine junge Frau aus Tunesien. „Wir treffen uns jede Woche zu dritt und tauschen uns über berufliche Fragen und Alltagssorgen aus, gehen aber auch einfach mal in die Stadt bummeln.“ Inzwischen sind auch die beiden tunesischen Frauen eng befreundet und lernen erfolgreich gemeinsam für die Prüfungen in der Pflegeschule. Das Modell Kleingruppe hat sich hier bewährt: Durch die gemeinsamen Mentorentreffen konnte eine neue soziale Verbindung entstehen, die die jungen Menschen nun erfolgreich durch die Ausbildungszeit trägt. „Das Fachliche schaffen die beiden inzwischen meist supergut ohne mich“, sagt Strobel und ist sich sicher: „Diese Frauen werden ihren Weg in Deutschland auf jeden Fall machen.“

Info

Sie haben Interesse, sich als ehrenamtliche Ausbildungsbegleitung zu engagieren? Sie sind in der Ausbildung und wünschen sich Unterstützung?

Registrieren Sie sich einfach über das Anmeldeformular auf der Webseite www.vera.ses-bonn.de

Lesen Sie hier die digitale Ausgabe 34 des Magazins der Landespflegekammer Rheinland-Pfalz:

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